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Übersicht Möbel-Epochen und Stile.

Barock
Die barocke Stilepoche umfasst ungefähr die Zeit von 1600 bis gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts. In der gebauten Architektur geht Italien als Vorbild voran, während bei der Inneneinrichtung und Möbelherstellung rasch Frankreich an erste Stelle tritt. Aus Italien werden vor allem grosse, höfische Prunkmöbel mit Steineinlagen (Pietra Dura) nach Frankreich importiert.

Für die Entwicklung des Möbels ist die Konsolidierung der Machtverhältnisse in Europa nach den Auseinandersetzungen der Reformation und Gegenreformation von grösster Wichtigkeit; mit den absolutistischen und zentralistischen Herrschaftsformen der europäischen Fürstenhäuser gehen neue und repräsentative Ansprüche an die Innenraumgestaltung und Möbelkunst einher. Der französische Hof in Paris wird zum grossen Vorbild für alle anderen europäischen Fürsten. In der französischen Hauptstadt wird die künstlerische und kunsthandwerkliche Produktion neu organisiert und einer straffen, zentralen Oberleitung unterstellt. Ausgangspunkt für die Form und Ornamentik des Möbelschlags ist das «klassische» Formenrepertoire der italienischen Hochrenaissance und zunehmend auch Stick- und Vorlagewerke von Ornamentstechern.

Das barocke Zeitalter gliedert sich in eine frühbarocke, in eine hochbarocke und in eine spätbarocke Phase. Üblicherweise werden sie nach den jeweils regierenden französischen Königen «Louis XIII», «Louis XIV» und «Louis XV» benannt. Die Stilstufe des «Louis XV» wird auch als Rokoko bezeichnet. Im Rokoko erreicht der barocke Stil einen Glanz- und Höhepunkt, der kaum mehr weiter gesteigert und entwickelt werden könnte. Die entstehende Gegenbewegung, der Klassizismus, löst das Rokoko im letzten Viertel des achtzehnten Jahrhunderts ab.

Louis XIV
Die erste Stilstufe, die beim Möbel und seinem Beschlag als vollständig Barock bezeichnet werden kann, ist die Zeit des Louis XIV. Während der Stil seines Vorgängers Louis XIII noch Renaissancehafte Anklänge aufweist, wird unter Louis XIV die Ausprägung der typischen barocken Formen vollzogen. In Frankreich umfasst der Stil Louis XIV ungefähr die Zeitspanne von 1660 bis gegen 1720. In den deutschsprachigen Gebietern hält sich der Hochbarock wesentlich länger, je nach Region bis in die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts.

Stilbildendes Zentrum und Mittelpunkt ist die «Manufacture Royale des Meubles de la Couronne», die 1664 in Paris gegründet wird. Nach einheitlichen Konzepten werden in diesen höfischen Ateliers Möbel mit feuervergoldeten Bronzebeschlägen, Stoffe, Gobelins und weitere Einrichtungsgegenstände von den besten Kunsthandwerkern ausgeführt, um die zahlreichen königlichen Schlösser und Appartements zu möblieren. Die Möbelbeschläge werden zu bisher nicht gekannter Wuchtigkeit und Perfektion gebracht. Nicht mehr ihre Funktion steht im Vordergrund, sondern ihr dekorativer und repräsentativer Wert. Es werden sogar vollplastische, feinziselierte und feuervergoldetet Bronzeplastiken am Möbel angebracht. Solche Bronzebeschläge, fast eher eigenständige kleine Kunstwerke als Beschläge, sind als Schuhe am Möbelfuss, an senkrechten und waagrechten Kanten etc. eingesetzt. Die Arbeit des handwerklichen Bronzegiessers gleicht sich dabei der eines plastisch schaffenden Künstlers an.

Die Dekorationsformen sind schwer und saftig, sinnlich und lebendig. Üppiges, naturalistisches Blattwerk, vor allem Akanthus und Blumen, durchsetzt mit allerlei Figuren verraten ihre Abstammung aus der italienischen Renaissance und der römischen, kaiserzeitlichen Antike. Der Stil dieser Möbel strahlt nach ganz Europa aus. Der normale Bürger kann sich allerdings solche luxuriösen Einrichtungen nie leisten; die bürgerlichen Möbel dieser Zeit sind in der Regel von einfacher Art und mit geschmiedeten Eisenbeschlägen versehen.

Typische Motive des Louis XIV:
Kordelartige Griffe mit stilisierten Rosetten, Akanthuslaub, allerlei Masken und Fratzen, Ohrmuschel- und Knorpelwerk, grosse Blattranken mit naturalistischen Blüten, vollplastische Figuren etc.

Louis XV (Rokoko)
Als Stil Louis XV wird in Frankreich die Zeit von ca. 1720 bis ca. 1770 bezeichnet. Im deutschsprachigen Raum hält sich das Rokoko zum Teil bis an die Wende zum neunzehnten Jahrhundert.

Die Ornamentik entwickelt sich aus der hochbarocken Formensprache, verliert aber die schwere Plastizität zu Gunsten einer mehrflächigen Eleganz. Paris bleibt nach wie vor das Zentrum für Mode und Kultur. Kleinere deutsche Fürstenhöfe richten sich ganz nach dem französischen Vorbild aus. Deutsche Fürsten lassen ihr Mobiliar in Paris anfertigen, und deutsche Schreinermeister beziehen ihre Möbelbeschläge aus französischen Giessereien, so dass die französischen Metallhandwerker ihre Waren in grösseren Serien zu produzieren beginnen. In der Zeit zwischen 1745 und 1749 wird vom französischen Staat sogar eine Sondersteuer auf Metall erhoben; zum Export bestimmte Möbelbeschläge aus dieser Zeit sind mit einem kleinen C (cuivre) gestempelt.

Die Bronzebeschläge dienen wie im Louis XIV nicht nur einer Funktion, sondern überziehen in dekorativer Weise das ganze Möbel, ja sie können sogar über Schubladen oder Türen hinweggezogen werden, ohne Rücksicht auf die Holzkonstruktion zu nehmen. Phantasievolle, asymmetrisch geschwungene vegetabile Formen überwuchern die Möbelflächen. Ein wichtiges Dekorationsmotiv ist die Rocaille, eine muschelartige Form, die in verschiedensten Varianten zu Anwendung kommt. Grössere Figuren, wie sie im Louis XIV zu finden sind, verschwinden, an ihre Stelle treten duftig-zarte Blütengebilde. Diese vegetabilen Beschläge werden wie die figürlichen des Louis XIV an den Kantonen der Möbel aufgelegt. Als Schuhe an Tischen und Kommoden werden mit Vorliebe zierliche Füsschen oder Tierhufe angebracht.

Wie im Louis XIV sind auch im Louis XV nur kostbare, für teure, höfische Möbel bestimmte Beschläge aus gegossener, feuervergoldeter Bronze gefertigt; ganz besonders wertvolle Stücke sogar aus Silber. Die Beschläge des bürgerlichen Möbels sind in der Regel einfache Formen aus Eisen oder Messingblech. Solche schlichten Beschläge, die durchaus von hervorragender Qualität sein können, werden von französischen und deutschen Möbelschreinern in grossen Massen aus England bezogen.

Typische Motive des Louis XV:
Die Rocaille in verschiedensten Varianten, asymmetrisch wuchernde Pflanzen und Blüten und Zweige mit Knospen etc.

Klassizismus
Der Klassizismus ist eine Stilströmung, die sich an der griechischen und römischen Antike orientiert. Beim klassizistischen Möbel fallen die ersten Versuche ungefähr in die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, das Ende kann man gegen die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts ansetzten. Die gebaute Architektur geht der Inneneinrichtung auf diesem Weg voran; die frühesten klassizistischen Bauten werden schon in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts in Italien entworfen. Im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert häufen sich auch die französischen und englischen Beispiele.

Ausganspunkte für den klassizistischen Möbelbeschlag sind Ornamentstickwerke und Vorlagenbücher, die Italienreisende mit nach Frankreich, England und Deutschland zurückbringen. Künstler und Wissenschaftler studieren die antiken Formen am Original und zeichnen die authentischen Formen sorgfältig auf. Neben dem wissenschaftlichen Interesse spielt auch die Sehnsucht nach einer besseren, verlorenen Zeit eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Antikenrezeption. Dem Menschen der Romantik erscheint die Antike als ideales, als Goldenes Zeitalter.

Unter dem Begriff Klassizismus werden der Frühklassizismus des Louis XVI (ca. 1760 – 1795), das Empire (ca. 1790 – 1830) und das Biedermeier (ca. 1815 – 1850) verstanden. In den dreissiger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts werden auch andere Stilquellen zur Nachahmung entdeckt; das Mittelalter mit Romanik und Gotik und die früher Neuzeit mit der Renaissance, zunehmend auch die Stile er jüngsten Vergangenheit wie Barock und Rokoko. «Historisierende» Stile trennen neben den klassizistischen.

Louis XVI
Der frühe Klassizismus wird im Allgemeinen nach dem französischen König «Louis XVI» benannt. Erste Ausprägungen des neuen Stils finden sich aber schon lange vor der Regierungszeit dieses Königs. Schon in den dreissiger und vierziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts werden Stimmen laut gegen das damals moderne Rokoko und fordern eine Rückkehr zu dein einfachen und edlen Formen der Antike. Als Reaktion auf das lieblich verspielte Rokoko werden die Formen strenger, gerade, die Beschläge klar, symmetrisch und mit naturalistischen Motiven verziert. In Frankreich setzt sich dieser neue Stil gegen 1770 allgemein durch, in Deutschland ungefähr eine Generation später, gegen Ende des Jahrhunderts.

Die Möbelbeschläge können stilistisch dem Möbel vorausgehen; so ist ein klassizistischer Beschlag an einem geschweiften Möbel, das in seinem Formen nach dem Rokoko verpflichtet ist, durchaus möglich. An kleineren Möbeln, die im Hintergrund des Zimmers oder an einer Wand stehen, die Hintergrund des Zimmers oder an einer Wand stehen, tauchen früher klassizistische Beschläge auf, als an den grossen und repräsentativ-freistehenden. Die Beschläge des Frühklassizismus sind oft aus Bronze gegossen, wenn vereinzelt auch an höfischen Möbeln gepresste und gestanzte Messingbeschläge auftauchen, oft fein ziseliert und in der Regel feuervergoldet. Die Formen sind in einer freien, eleganten und naturalistischen Auffassung den antiken Vorbildern nachempfunden.

Typische Motive des Louis XVI:
Perlstab, Eierstab, Festons, Blumen- und Fruchtgirlanden, Schleifen, naturalistische Blumen und Früchte, Bildnismedaillons, Tiere (Löwenappliquen aber nur an Herrenmöbeln) etc.

Empire
Der Empire-Stil, benannt nach dem Kaiserreich Napoleons, ist die konsequente Weiterführung des Frühklassizismus. Er taucht mit der französischen Revolution am Ende des achtzehnten Jahrhunderts auf und lässt sich bis gegen die vierziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts verfolgen.

Die freie Interpretation der antiken Vorbilder ist jetzt durch eine treue, exakte Nachahmung ersetzt. Die Vorbilder werden gerne im etruskischen und ägyptischen Stilbereich gesucht. Die ägyptische Kultur ist mit dem Ägyptenfeldzug Napoleons erst so richtig entdeckt worden. Stichwerke wie dasjenige des Baron Denon, «Voyage dans la Basse et Haut Egypte pendant les Campagnes du Général Bonaparte», tragen zur raschen Verbreitung ägyptisierender Formen bei.

Die Möbelbeschläge kommen jetzt auch als reine Dekoration bei Sitz- und Ruhemöbeln vor. Der Stil hat sich gegenüber dem Frühklassizismus vereinheitlicht. Originalgetreuer geworden, hat er aber die elegante Note verloren; der Stil wird hart und spröde, die Blumen- und Fruchtmotive weichen kriegerischen und heroischen Darstellungen. Die Beschläge sind in der Mehrheit gegossen oder getrieben, werden aber zunehmend von gepressten konkurrenziert. Neben der Feuervergoldung kommen billigere Verfahren für die Oberflächenbearbeitung auf. Teilweise wird Bronze durch gepresstes und gefirnisstes Messing ersetzt.

Typische Motive des Empire:
Szenen aus der antiken Mythologie, Hermen, Karyathiden, Spinxe, verschiedene Götterattribute wie Blitz und Tyrsusstab, Palmetten, Sterne, Bienen und andere Insekten, Delphin und Schwan, Papyrus und Schilf etc.

Biedermeier
Das Biedermeier, dem in Frankreich die Restauration entspricht, ist eine bürgerlich gemässigte, behagliche Variante des Empire. Klassizistische Beschläge aus dem Louis XVI und dem Empire. Klassizistische Beschläge aus dem Louis XVI und dem Empire werden weiterverwendet. Im Gegensatz zum Möbel machen die Beschläge kaum eine Entwicklung zu eigenständigen, originalen Formen durch. Die natürlichen Blumen- und Fruchtgebinde aus dem Louis XVI erfreuen sich grösster Beliebtheit; Delphin und Schwan werden aus dem Empire übernommen, wobei der harte, spröde Stil lieblich umgesetzt wird.

Die Beschläge sind jetzt meist aus Messingblech gestanzt und nicht mehr gegossen. Neben Messing tauchten Metallimitationen aus verschiedenen Materialien auf; beispielsweise Papiermaché oder eine Mischung aus Sägespänen und Fischleim. Der Beschlag tritt gerade bei einfachen Möbeln im Biedermeier stark in den Hintergrund und spielt nicht mehr die wichtige dekorative Rolle wie im Louis XVI oder im Empire.

Das Biedermeier geht gegen die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts in anderen «Neo»-Stilen auf. Reichere Formen und überquellende Ornamente verdrängen die schlichten und anspruchslosen Möbel dieses späten bürgerlichen Klassizismus.

Typische Motive des Biedermeier:
Greifen, Genien, Lotosblüten, Lyren; diese Motive sind vorwiegend aus dem Repertoire des Empire übernommen. Naturalistische Blumen und Fruchtgestecke, Girlanden, Kränze, Blumensträusse, Füllhörner etc. sind Motive des Louis XVI.

Historismus
Die Zeitspanne zwischen ca. 1840 und 1900 wird beherrscht vom Historismus. Unter diesem Begriff werden verschiedene Stiltendenzen zusammengefasst, denen eines gemeinsam ist: das Zurückgreifen auf schon einmal dagewesene, vergangene, «historische» Stile. Fast alle grossen europäischen Kunststile werden im Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts wieder aufgegriffen, nicht nur im Kunstgewerbe und in der Innenraumgestaltung, auch in der gebauten Architektur.

Das neunzehnte Jahrhundert ist die Zeit der Industrialisierung. Bei der Möbelherstellung werden neue Maschinen eingesetzt, die eine billige Massenproduktion erlauben. Dank der Arbeit in den rasch wachsenden Industrien und Fabriken kommen auch einfache Bürger und Arbeiter zu einem, wenn auch bescheidenen, Wohlstand und bilden eine grosse Käuferschicht für preisgünstige Möbel und Einrichtungsgegenstände.

Die Entwicklung weg von der Handarbeit hin zur maschinellen Produktion macht auch vor den Möbelbeschlägen nicht Halt; der überwiegende Teil wird nun maschinell gefertigt. Die teure Bronze wird durch Messing und andere Materialien wie «Carton-Pierre» (Steinpappe) ersetzt. Neue Metalllegierungen werden erfunden, die wesentlich billiger als herkömmliche sind und sich einfacher verarbeiten lassen. Die gegossenen Beschläge werden verdrängt durch die gestanzten und gepressten, die aus immer dünneren Blechen hergestellt werden können. Schon an der grossen Weltausstellung von 1851 in London wird bei den Möbelbeschlägen fast nur noch maschinell gestanzte und gepresste Massenware angeboten. Unter dem Preis- und Konkurrenzdruck müssen traditionelle Handwerk aufgeben oder ebenfalls auf die industrielle Fertigung umstellen. Die alten Vorlagen und Formen plastisch vortretenden Formen werden verflacht, feine Ornamente vereinfacht und vergröbert, da ein Nachziselieren von Hand zu teuer geworden ist. Überall, wo auf diese Weise alte Gussformen adaptiert werden, bleibt das ästhetische Resultat unbefriedigend, da die Verarbeitung nicht mehr form- und materialgerecht ist. Dort wo neue Formen und Dekors entworfen werden, die von Anfang an für die maschinelle Produktion konzipiert sind, ist die Qualität etwas besser. Bei sehr teuren Möbeln werden vereinzelt noch gegossene Beschläge neue gefertigt oder alte Originalbeschläge verwendet.

Verschiedene Stiltendenzen im Historismus
Die Entwicklung der einzelnen historisierenden Stilstufen verläuft nicht geradlinig und zum Teil widersprüchlich. In allen grossen europäischen und amerikanischen Metropolen werden Gewerbe- und Kunstgewerbeausstellungen veranstaltet, an denen sich die interessierten Hersteller und Käufer über die neuesten Tendenzen informieren können. Magazine und Illustrierten tragen zur raschen Verbreitung der Modeströmungen bei. Die wichtigsten sind mit Louis Philippe, Second Empire und Gründerzeit benannt.

Louis Philippe und Second Empire
In Frankreich setzt mit dem Louis Philippe ein kräftiger historisierender Stil ein. Allgemein wird er zwischen 1830 und 1850 angesetzt. Er nimmt Tendenzen des französischen Rokoko des achtzehnten Jahrhunderts wieder auf. Selten werden Möbelbeschläge exakt kopiert; die dem Louis XV entlehnten Formen werden frei und neu komponiert oder mit Formen des späten Empire gemischt. Neben diesem Rokoko-Trend gibt es auch gotisierende und barockisierende Tendenzen.

Das Second Empire unter Napoleon III beginnt in den späten vierziger Jahren und endet gegen 1880. Es weist, anders als man vermuten könnte, wenig Formen aus der Zeit des Napoleon I auf. Vielmehr wird das zweite Empire geprägt durch die Wiederaufnahme von frühklassizistischen Formen, die dem Louis XVI entlehnt sind. Auch gotische Reminiszenzen lassen sich nachweisen. Anders als im Louis Philippe werden im Second Empire Möbel und Beschläge auch genau nach Vorbildern aus der Zeit des Louis XMI kopiert. Heute ist es sehr schwierig, gute Kopien aus dem neunzehnten Jahrhundert von den Originalen des achtzehnten zu unterscheiden, gerade wenn originale Gussformen für die Beschläge verwendet worden sind.

Die Gründerzeit
Deutschland besinnt sich in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts auf seine eigene Vergangenheit. Stark nationalistisch gefärbte Stimmen fordern eine Abkehr von fremden, französischen Modeeinflüssen. Die deutsche Renaissance allein wird als stilbildende Vorlage akzeptiert. Durch die aufkommenden Kunstgewerbeschulen, Museen und Vorlagewerke werden Renaissanceornamente verbreitet, nach denen die Kunsthandwerker und Beschlägefabrikanten ihre Entwürfe anfertigen lassen. Selbstverständlich existieren auch in Deutschland neben diesem. Nationalstil, der sich mit der Gründerzeit verbindet, auch Möbel und Einrichtungsgegenstände in sämtlichen anderen Stilarten und Mischungen.

Jugendstil
In den sechziger und siebziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts schliessen sich in England, aber auch auf den europäischen Kontinent Handwerker und Künstler zusammen, um gemeinsam kunsthandwerkliche Produkte aller Art zu fabrizieren. Dieser Gemeinschaften arbeiten nach hohen qualitativen Grundsätzen und setzen ihre Produkte gegen die herkömmliche Massenware in verschiedenen Stilrichtungen ab. Der deutsche Name «Jugendstil» leitet sich von der Zeitschrift «Die Jugend» ab, die seit Januar 1896 in München erschienen ist und neuen Stil vertritt. In Frankreich heisst der Stil «Art Nouveau», benannt nach der gleichnamigen Kunsthandlung, die 1895 in Paris eröffnet wird. Der englische «Modern Style» und er österreichische «Sezessionsstil» meinen die gleiche Stilrichtung.

Der Jugendstil setzt sich anfangs der neunziger Jahre in fast allen europäischen Ländern durch. Seine Blüte erlebt er um die Jahrhundertwende. In den folgenden Jahren verfällt er rasch und bei Ausbruch des ersten Weltkrieges ist er vollständig verlöscht.

Anregungen aus der Gotik, aber auch aus der Kunst Ostasiens und Japans werden aufgenommen und verarbeitet. Manche Ornamentform wie Knorpel und Kartusche können ihre Herkunft aus dem Rokoko nicht verleugnen. Es existieren zwei Stiltendenzen nebeneinander:

  • Der weiche, florale Stil, der vor allem in Frankreich und Belgien gepflegt wird und der gemeinhin als typischer Jugendstil gilt. Die Dekorationsmotive sind der Natur entlehn, weich und kurvig geschwungen. Pflanzen und Tiere werden gerne auch für die Beschläge aufgegriffen und stilisiert.

  • Der geometrische, harte Stil hat seine Wurzeln einerseits in Schottland, andrerseits in Österreich und Deutschland. Bei dieser Variante des Jungendstils werden ausschliesslich geometrische Figuren als Ornament verwendet.
     

Beiden Stilrichtungen ist die Rolle des Ornaments und des Möbelbeschlag gemeinsam. Der Beschlag wird wohlproportioniert auf die Fläche des Möbels gesetzt. Er hat einen hohen dekorativen Wert. Der ästhetisch und qualitativ hochstehende Möbelbeschlag wird entsprechend den hohen Ansprüchen der Künstler und Kunsthandwerker von Hand gefertigt. Aber auch die industriell fabrizierte Massenware ist oft von sehr ansprechender Gestalt; besonders die einfachen, geometrischen Formen eignen sich für die maschinelle Produktion.

Die Forderung nach materialgerechter Verarbeitung und praktischer Benutzbarkeit der handwerklichen Produkte gilt auch für den Möbelbeschlag. Die Beschläge sind in der Regel schlicht, aber funktionell und formschön. Es gibt allerdings auch aufwendige Zier- und Schmuckstücke, bei besonders reichen Möbeln. Es wird Wert gelegt auf gute Materialien. Metallimitat, wie sie im Historismus üblich gewesen sind, verschwinden zu Gunsten von soliden und ansprechende Metallen und Legierungen. Metalle, die während des neunzehnten Jahrhunderts nicht besonders geschützt worden sind, werden wieder beliebt; neben Messing und Bronze wird auch vermehrt wieder Kupfer und Eisen verwendet.

Typische Motive des Jugendstils:

  • Naturformen, Pflanzen, Blüten, Schilf, Lilien, Wasserrosen, Pfau, Schwan, langhaarige Mädchengestalten, weich gebogene, asymmetrisch oder gewellte Ornamente.

  • Geometrische Formen, Quadrat, Dreieck, Kreis, Kreissegment, gerade Linien.

Die nachstehende Tabelle vermittelt eine Übersicht über die verschiedenen Stilepochen im Möbel- und Kunsthandwerk. Sie zeigt auch, dass einerseits die Übergänge von einer Epoche zur anderen fliessend sind, andererseits aber auch zeitliche Verschiebungen von einem kulturprägenden Land zum anderen stattfanden.

Darüber hinaus lässt sich auch immer wieder feststellen, dass Elemente früherer Stilepochen später wieder aufgenommen wurden. Dies erklärt auch, dass die Zuordnung zu einer bestimmten Epoche oder einem bestimmten Gebiet Anlass zu Meinungsverschiedenheiten geben kann.

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